Eröffnung der Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße Potsdam am 18. April 2012

ERÖFFNUNG DER GEDENK- UND BEGEGNUNGSSTÄTTE LEISTIKOWSTRASSE IN POTSDAM, 18. APRIL 2012

 

BEGRÜSSUNG

PROF. DR. GÜNTER MORSCH

 

Sehr geehrte Überlebende der sowjetischen Lager und Gefängnisse,

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

Sehr geehrter Herr Staatsminister Neumann,

Herr Staatssekretär Gorholt,

Herr Pfarrer Lange,

Sehr geehrter Herr Vogel,

Liebe Frau Reich,

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

Namens der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten darf ich Sie alle ganz herzlich zur Eröffnung der neuen Dauerausstellung in der Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße begrüssen. Wir freuen uns sehr, daß Sie in so großer Zahl gekommen sind. Ich danke vor allem den ehemaligen Insassen dieses  Gefängnisses, mit dem sie furchtbare und quälende Erinnerungen verbinden, dafür, dass Sie mögliche Ängste und Vorbehalte überwunden haben, um mit  ihrer persönlichen Präsenz Zeugnis für das Leid und das Unrecht abzulegen, das ihnen an diesem Ort widerfahren ist. Oft war das Gefängnis in der Leistikowstraße nur der erste Ort Ihrer Odyssee durch weitere Gefängnisse und Lager der sowjetischen Geheimdienste. Viele, die in den engen Zellen mit ihnen von den Soldaten und Offizieren des Geheimdienstes zusammengepfercht wurden, sind von dort aus in den Tod gegangen. Alle waren Opfer einer erbarmungslosen Besatzungsmacht, für deren totalitäres Unrechtssystem die Menschen- und Grundrechte, wie sie in den Demokratien des Westens verankert waren und sind, völlig ohne Belang waren;  ihnen wollen wir diese Gedenkstätte widmen.

 

Als die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten 2008 von unterschiedlichen Seiten gebeten wurde, die Treuhänderschaft für die unselbständige Stiftung Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße zu übernehmen, löste dieser Wunsch nicht nur außerhalb, sondern auch innerhalb unserer Stiftung, deren Einrichtungen sich ganz überwiegend mit den Ursachen und Folgen nationalsozialistischen Terrors beschäftigen, keine geringen Bedenken aus. Denn nach wie vor ist sowohl in Deutschland als auch in Europa trotz vielfältiger politischer Bemühungen eine gemeinsame Erinnerung an die Opfer beider diktatorischer Regime eher die Ausnahme als die Regel. Konflikte und Konkurrenzen, politischer Missbrauch und Polemik sind leider nicht selten. Es waren nicht nur die pragmatischen Argumente einer einfacheren Verwaltungsorganisation allein, die gegen die Zweifel vorgebracht wurden. Vielmehr verwies man auf die  Erfahrungen der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, die es in den Jahren seit der deutschen Einheit geschafft hatte, die ehemaligen Mahn- und Gedenkstätten der DDR, in denen die Vielfalt und Widersprüche in der Geschichte zugunsten politisch einseitiger Instrumentalisierung ausgeblendet worden waren, in moderne zeithistorische Museen mit besonderen humanitären und bildungspolitischen Aufgaben umzuwandeln. Denn eine plural verfasste Demokratie braucht nicht nur den lebendigen Streit über Gegenwart und Zukunft, sondern auch über die Vergangenheit. Nur Diktaturen pflegen verordnete einheitliche Geschichtsbilder ohne Widersprüche und ohne Kontroversen.

 

Aber in erster Linie war es die beeindruckende Wirkungskraft des authentischen Ortes selbst, die die Bedenken zurück treten ließ: dieses durch asymmetrische Um- und Anbauten der sowjetischen Gefängnisverwaltung, durch zugemauerte oder verkleinerte und vergitterte Fenster verunstaltete Gebäude,  vor allem aber sein innerer Zustand, mit den Holzpritschen, die die Qualen noch ahnen ließen, darauf zu liegen, mit Stehkarzern, in die hinein man sich selbst heute noch nicht einzutreten traut oder den Verließen im Keller, wo die Inschriften an den Wänden die zahllosen ungehörten Hilferufe der Gefangenen wieder zu Gehör bringen. Wie kaum ein anderer historischer Ort vermag das ehemalige Gefängnis in der Leistikowstraße  die Brutalität des sowjetischen Terrors zum Ausdruck zu bringen. Es ist die Aufgabe der Ausstellung die Ursachen und Hintergründe, die Opfer wie die Täter darzustellen und zu erklären.

 

Im Namen der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten möchte ich allen denjenigen danken, die diese neue Ausstellung möglich gemacht haben, in erster Linie den vielen Zeitzeugen und den Angehörigen, die sich für Interviews zur Verfügung gestellt und ihre Erinnerungsstücke der Einrichtung überlassen haben. Ich danke auch den Mitgliedern des Gedenkstättenvereins und allen anderen Ehrenamtlichen für ihre permanentes Drängen und ihr stetes Engagement. Wir bedauern es sehr, daß es dabei zu Konflikten und Auseinandersetzungen mit den Mitarbeitern der Gedenkstätte gekommen ist und hoffen, daß diese sich nach der Eröffnung in Gesprächen und in gegenseitigem Respekt zugunsten einer fruchtbaren Zusammenarbeit wieder beilegen lassen. Ein besonderer Dank gilt dem Evangelisch- kirchlichen Hilfsverein sowie der Bundes- und der Landesregierung, die durch die Bereitstellung des Gebäudes und die finanzielle Förderung die Realisierung der Ausstellung und die dauerhafte Unterhaltung der Gedenkstätte ermöglicht haben. Schließlich möchte ich mich ganz herzlich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gedenk- und Begegnungsstätte bedanken, die unter der Leitung von Frau Dr. Ines Reich das Forschungs- und Ausstellungsprojekt zu einem, wie ich finde, sehr guten Ergebnis gebracht haben. Dies war für  viele Projektbeteiligte eine sehr schwere Aufgabe, die Sie persönlich über das bisweilen erträgliche Maß hinaus beansprucht hat. Dafür spreche ich Ihnen allen die Anerkennung und den Dank der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten aus.