Rede: General Stefan ‚Grot‘ Rowecki – Sonderhäftling im KZ Sachsenhausen 1943-1944, Sonderausstellung, 4. November 2014

Eröffnung der Sonderausstellung
„General Stefan ‚Grot‘ Rowecki – Sonderhäflting im
KZ Sachsenhausen 1943-1944“
Am 4. November 2014
Begrüssung
Prof. Dr. Günter Morsch

Exzellenz, sehr geehrter Herr Botschafter Dr. Marganski,
sehr geehrter Herr Marschall Drozdz,
Herr Dr. Kunert,
Sehr geehrte Angehörige von Stefan Rowecki,
Frau Prof. Rowecka- Trzbicka,
Herr Dr. Pronobis,
Herr Krauze,
lieber Kollege Prof. Dr. Szarota,
Herr Pawlos´,
Herr Walesa,
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Gäste,

Im Namen der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten und der Gedenkstätte Sachsenhausen begrüße ich Sie alle ganz herzlich zu unseren heutigen Veranstaltungen aus Anlass des 70 Jahrestages der Ermordung des Befehlshabers der polnischen Heimatarmee Armia Krajowa, Stefan Rowecki, genannt Grot. Wir freuen uns vor allem darüber, dass so viele polnische Gäste unserer Einladung gefolgt sind. Ich begrüße unter ihnen die Vertreter der „Stiftung Polnisch-Deutsche Aussöhnung“ und die Repräsentanten der polnischen Regierung sowie der Militär- und Veteranenverbände. Ein herzliches Willkommen sage ich vor allem auch den vielen Schülerinnen und Schülern aus Polen, die zusammen mit ihren Lehrerinnen und Lehrern gekommen sind, um den Namensgeber ihrer Schule zu ehren. Auch für die Anwesenheit einer Delegation von Studenten und Dozenten aus der mit der Gedenkstätte Sachsenhausen freundschaftlich verbundenen Jagiellonen-Universität Krakau sind wir sehr dankbar. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich von der großen Zahl der Anwesenden nur einige wenige namentlich nennen kann. Sie alle aber, die sie heute hier vor den originalen Überresten des ehemaligen Zellengefängnisses des KZ Sachsenhausen versammelt sind, in dem Stefan Rowecki in den Jahren 1943 und 1944 inhaftiert war, seien ganz herzlich begrüßt.
Das bereits 1936 von Häftlingen im Auftrag der SS erbaute Zellengefängnis war ein Lager im Lager. Durch eine hohe Mauer vom Häftlingslager abgegrenzt, durften selbst SS-Leute nur mit der besonderen Genehmigung des Kommandanten diesen verschwiegenen Ort aufsuchen. Es war ein besonderer Ort der Folter und des Todes. Nur Gerüchte darüber drangen zu den Häftlingen in die Baracken. Umso stärker war er gefürchtet. Hinter dem Holztor in der Mauer, die das T-förmige Gefängnis umschloss, verschwanden die Häftlinge, die von der SS mit Dunkelhaft bei Wasser und Brot oder durch das barbarische Pfahlhängen sowie durch Schläge auf dem Bock wegen tatsächlicher oder angeblicher Vergehen gegen die Lagerordnung bestraft wurden. Manch einen Kameraden, der den SS-Führern des Zellengefängnisses übergeben wurde, wurde danach nie mehr wiedergesehen. Das Zellengefängnis war nämlich auch ein besonderer Ort des ungehemmten, weil unsichtbaren Mordens. Schon im Winter 1936/37, als das Gebäude sich noch im Bau befand, wurden dort mehrere deutsche Juden, unter ihnen das Mitglied der Bekennenden Kirche, Friedrich Weißler, über mehrere Tage bis zum Tode gefoltert.
Solche besondere Folterhöllen gab es in fast allen Konzentrationslagern. Für den Zellenbau des KZ Sachsenhausen aber, des Konzentrationslagers bei der Reichshauptstadt, wie es sich offiziell nannte, kam eine weitere Funktion hinzu. Nach der Schließung des Konzentrationslagers Berlin-Columbia im Herbst 1936 nämlich wurde der Zellenbau von den Berliner Stellen der Gestapo und der Kriminalpolizei als eine Art Außenstelle des Hausgefängnisses der Berliner Zentralstellen des nationalsozialistischen Terrorapparates angesehen. Täglich verkehrte eine sognannte grüne Minna, eine Art Bus, zwischen der Prinz-Albrecht Straße in Berlin und dem Zellenbau von Sachsenhausen, um die zumeist prominenten Häftlinge zu ihrer Vernehmungen und Verhören zu bringen.
So ist es nicht verwunderlich, dass auch Stefan Rowecki nach seiner Verhaftung im Juni 1943 in Warschau über die Berliner Gestapostellen nach Sachsenhausen in den Zellenbau verschleppt wurde. Grot Rowecki wurde wahrscheinlich im heute einzig noch existierenden Westflügel des insgesamt 80 Zellen umfassenden Gefängnisses eingesperrt. So wie alle sogenannten prominenten Sonderhäftlinge, die im Zellenbau untergebracht waren, stand er selbst in seiner Zelle unter Sonderbewachung und durfte nur vom SS-Chef des Zellenbaus, zur damaligen Zeit Kurt Eccarius, versorgt werden. Jeder Kontakt zu anderen Sonderhäftlingen des Zellenbaus sollte vermieden werden und so wissen wir nicht, ob der General ahnte, dass ganz in seiner Nachbarschaft auch andere polnische Leidensgenossen, wie z. B. Bischof Wladislaw Goral oder der ehemalige Adjutant von Josef Pilsudsky, Georg Kuncewiz, sein Schicksal teilen mussten. Gelegentlich suchten der Lagerkommandant sowie hohe SS-Offiziere den Kommandanten der großen polnischen Widerstandsarmee auf, um mit ihm zu sprechen. Auch Heinrich Himmler, der Reichsführer SS, besuchte den Zellenbau des KZ Sachsenhausen nicht selten, um mit Gefangenen, insbesondere Sonderhäflingen, wie den Hitler-Attentäter Georg Elser oder dem jüdischen Häftling Herschel Grynspan, dessen Anschlag das Novemberpogrom 1938 ausgelöst hatte, zu sprechen oder ihre Hinrichtung persönlich anzuordnen.
Ein Angehöriger der Gestapo sagte später aus, dass er bei seinem Chef ein Telegramm Himmlers gesehen habe, worin dieser dem Kommandanten von Sachsenhausen den Befehl erteilt habe, Rowecki sofort hinzurichten. Die Weigerung des Befehlshabers der Armija Krajowa, den Warschauer Aufstand, der am 1. August 1944 ausgebrochen war, zu verraten, gab wohl den Ausschlag für diesen Exekutionsbefehl. Hitler war persönlich, wie eine Aktennotiz des Reichsführers SS vom 10. Juli 1944 belegt, zur Überzeugung gelangt, dass es nicht gelinge könne, die „Führerpersönlichkeit“ des polnischen Widerstandes, wie er den General nannte, zur Kollaboration zu bewegen. Das war Grot-Roweckis Todesurteil.
Wir haben die kleine Sonderausstellung mit dem Titel „General Stefan Rowecki-‚Grot‘ – Sonderhäftling im KZ Sachsenhausen 1943-1944“ im original erhaltenen Teil des ehemaligen Zellengefängnisses eingerichtet, in dem gleichen Flügel in dem der General wohl inhaftiert war. Ich danke unserem polnischen Kooperationspartner, der Gedenkstätte Majdanek sowie der Stiftung Deutsch-Polnische Zusammenarbeit, dem Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland sowie der Axel-Springer-Stiftung für ihre Unterstützung der Ausstellung. Es ist mir eine große Freude meinen ganz besonderen Dank Herrn Prof. Dr. Tomasz Szarota sowie der Nichte von General Grot-Rowecki, Frau Prof. Krystyna Rowecka-Trzebicka persönlich aussprechen zu dürfen. Ohne deren Hilfe, ihren Hinweisen und Leihgaben wäre unsere Ausstellung nicht möglich gewesen. Frau Ewa Czerwiakowski und unsere Mitarbeiterin Frau Agnes Ohm haben die Ausstellung konzipiert und realisiert. Auch ihnen möchte ich an dieser Stelle dafür ganz herzlich danken.

Nach der Ausstellungseröffnung werden wir, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Gäste, den Gedenkstein für Stefan Rowecki im ehemaligen Kommandanturbereich des KZ Sachsenhausen enthüllen. Auch heute Nachmittag erwartet uns ein reichhaltiges Programm mit Musikdarbietungen, einer multimedialen Präsentation von Schülern sowie eine sicherlich spannende Diskussion von Historikern und anderen Experten, auf die ich als Historiker natürlich besonders gespannt bin. Diese verschiedenen und in ihrer Unterschiedlichkeit im Gedenken an den 70. Jahrestag der Ermordung des Befehlshabers der Armia Krajowa angemessenen Veranstaltungen verdanken wir in erster Linie dem herausragenden Engagement von Frau Alexander Proscewicz vom Verein Polonica. Sie hat zusammen mit dem Rat zur Bewahrung des Gedenkens an Kampf und Märtyrertum sowie der Wojewodschaft Mittelpommern sowie weiteren polnischen Einrichtungen oder Stiftungen die Errichtung des Gedenksteins für Stefan Rowecki sowie die verschiedenen Begleitveranstaltungen im Umfeld der Einweihung initiiert und organisiert. Ihnen allen danke ich im Namen der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten und der Gedenkstätte Sachsenhausen dafür noch einmal ganz herzlich.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.