Rede: 68. Jahrestag der Errichtung des sowjetischen Speziallagers in Sachsenhausen, September 2013

68. Jahrestag der Errichtung des sowjetischen Speziallagers Nr. 7 in Sachsenhausen

Begrüßung

Prof. Dr. Günter Morsch

Sehr geehrte Überlebende der sowjetischen Lager,
sehr geehrter Herr Landtagspräsident Fritsch,
Herr Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses Wieland,
Herr Krüger,
Herr Latotzky,
Herr Pfarrer,
Meine sehr geehrten Damen und Herren,

Im Namen der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten sowie der Gedenkstätte und des Museums Sachsenhausen begrüße ich Sie ganz herzlich zu unseren heutigen Veranstaltungen aus Anlass des 68. Jahrestages der Verlegung des sowjetischen Speziallagers Nr. 7 nach Sachsenhausen. Wir freuen uns sehr, dass sie erneut in so großer Zahl erschienen sind, um gemeinsam mit uns an die Leiden von etwa 60.000 Häftlingen zu erinnern, die zwischen 1945 und 1950 in den Baracken des Lagers von der sowjetischen Geheimpolizei eingesperrt worden waren. Ganz besonders herzlich begrüße ich unter ihnen die Überlebenden der sowjetischen Speziallager und Gefängnisse, die trotz mancher Beschwernisse und gesundheitlicher Probleme teilweise von weither erneut in die Gedenkstätte gekommen sind, um ihrer zahlreichen verstorbenen Kameradinnen und Kameraden zu gedenken. Ich begrüße ferner den Landrat des Kreises Oberhavel, die Mitglieder des Brandenburgischen Landtages und des Berliner Abgeordnetenhauses, die Vertreter der Stadt Oranienburg sowie der verschiedenen Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft.

Am 16. August 1945, also vor etwa 68 Jahren, wies der Kommandant des sowjetischen Speziallagers Nr. 7 in Weesow bei Werneuchen die verbliebenen etwa 5.000 Häftlinge an, zu Fuß über schmale Brandenburger Landstraßen und durch kleine Dörfer nach Oranienburg zu marschieren. Die seit Mai 1945 in fünf ehemaligen Bauernhöfen zusammen gepferchten Menschen waren schon nach wenigen Wochen ihrer Haft aufgrund der katastrophalen Lebensbedingungen völlig erschöpft und ausgezehrt. Viele von ihnen waren bereits gestorben. So schleppten sich die Tausenden in lang gezogenen Marschkolonnen seit dem frühen Morgen des 16. August nur mühsam über die Pflasterstraßen in Richtung Oranienburg, das sie am Abend endlich erreichten. Schon zwei Monate nach seiner Einrichtung verzeichnete die sowjetische Lagerverwaltung am 15. Oktober 1945 eine Belegungsstärke von über 11.0000 Häftlingen. Sachsenhausen war damit in kürzester Zeit zum größten der zehn sowjetischen Speziallager auf dem Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone heran gewachsen und es blieb das weitaus größte seiner Art bis zu seiner Auflösung im März 1950.

In dieser Zeit verstarben infolge der völlig ungenügenden Versorgung mit Kleidung und Lebensmitteln sowie Medikamenten an Hunger, Krankheiten und Seuchen 12.000 Menschen. Das Lager starb damit, wie es die Zeitzeugen beschreiben, einmal komplett aus. Aber auch diejenigen, die das Massensterben überlebten, litten und leiden bis heute noch unter den Folgeerscheinungen der Haft. Mit ihnen quälten sich auch die meisten Angehörigen der Opfer, die viele Jahre über das Schicksal ihrer Ehegatten, Väter, Mütter oder Kinder gewollt im Ungewissen bleiben mussten.

Schon bald nach dem Ende der kommunistischen Diktatur, während der an die vielen Toten des sowjetischen Speziallagers nicht erinnert werden durfte, versammelten sich die überlebenden Opfer hier an diesem größten der drei Massengräber regelmäßig Anfang September, um am Jahrestag der Einrichtung des Speziallagers Nr. 7 in Sachsenhausen ihren verstorbenen Kameradinnen und Kameraden zu gedenken. Die Gedenkstätte Sachsenhausen hat diesen Wunsch aufgegriffen und unterstützt sie dabei. Gemeinsam richten die Arbeitsgemeinschaft Lager Sachenhausen 1945-50 und die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten auch in diesem Jahr wieder die verschiedenen Veranstaltungen dazu aus. Dafür danke ich der Arbeitsgemeinschaft insbesondere dem Vorstand mit seinem Vorsitzenden Herrn Joachim Krüger ganz herzlich.

Als Sie hierher auf diesen Friedhof der Massengräber gekommen sind, haben Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, sicherlich gesehen, dass die von der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten angelegten Flächen zur Niederlegung individueller Erinnerungstafeln inzwischen bereits gefüllt sind. Viele weiter Anträge haben uns erreicht und wir haben uns daher entschlossen, diese Felder zu erweitern. Das von manchen Skeptikern in diesem Umfang nicht erwartete starke Bedürfnis der Angehörigen, solche individuellen Erinnerungstafeln für die Verstorbenen auch noch mehr als sechs Jahrzehnte nach ihrem Tod niederzulegen, ist ein eindrucksvoller Beweis dafür, dass die Opfer des sowjetischen Speziallagers nicht vergessen sind. Diese Formen individueller Zuwendung und Trauer, sie berühren uns häufig mehr als ein allgemeines Gedenken, das allzu leicht in die Gefahr gerät, abstrakt und ritualisiert zu wirken. Denn durch diese individuelle Geste werden die Opfer aus ihrer Anonymität herausgelöst, sie werden als Menschen für uns sichtbarer, ihr Schicksal, Ihr Leid und ihre Persönlichkeit. Ich möchte daher die Gelegenheit nutzen, um auch Ihnen, den Angehörigen, die sie diese von der Gedenkstätte angebotene Möglichkeit nutzen, dafür ganz herzlich zu danken.

Ich danke ferner allen Mitwirkenden an unseren Veranstaltungen, den folgenden Rednern ebenso wie Herrn Pfarrer Friedemann Humburg für die Andacht sowie dem Bläserchor der Kirchengemeinde Bergfelde-Schönfließ für die musikalische Umrahmung. Nach dem von der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten in der ehemaligen Häftlingswäscherei ausgerichteten Imbiss, zu dem ich Sie alle einladen möchte, wollen wir im Veranstaltungsraum der Gedenkstätte den Verlauf und die Hintergründe der ersten Entlassungswelle aus den sowjetischen Speziallagern vor 65 Jahren im Rahmen einer öffentlichen Vortrags- und Diskussionsveranstaltung beleuchten. Wir würden uns sehr freuen, wenn wir Sie auch dazu herzlich willkommen heißen dürften.