Rede: Deutsche Gewerkschafter in Konzentrationslagern 1933-1945, 12. Mai 2014, Wanderausstellung Trier

„SEID WACHSAM, DASS ÜBER DEUTSCHLAND NIE WIEDER DIE NACHT HEREINBRICHT.“
DEUTSCHE GEWERKSCHAFTER IM KZ 1933-1945

ERÖFFNUNG DER WANDERAUSSTELLUNG
12. MAI 2014
Trier

PROF. DR. GÜNTER MORSCH

Sehr geehrter Herr Schieben,
Herr Hahn,
Sehr geehrter Herr Burgard, Herr Heintel,
Sehr geehrte Angehörige,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

Die Geschichte des ersten und zweiten Mai 1933, als viele Gewerkschafter, insbesondere die führenden Funktionäre, im Irrtum über die Ziele der Nationalsozialisten befangen, glaubten durch Anpassung ihre Organisationen zu retten, ist schon oft beschrieben worden. Sie hat nach der Befreiung vom NS-Regime in den Gewerkschaften zu einer vorherrschend Haltung sympathischer Selbstkritik geführt, der jeglicher Stolz auf unangepasstes oder gar widerständiges Verhalten im „Dritten Reich“ weitgehend fremd war. Der gelernte Tischler Hermann Scheffler, langjähriger Vorsitzender des Fachausschusses der Gewerkschaftspresse des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) und Redakteur der Holzarbeiter-Zeitung in Berlin, äußerte sich dazu in einer nicht untypischen, unprätensiösen Weise im Jahre 1946 wie folgt: „Im Vergleich zu der Größe des nazistischen Übels war unsere Arbeit gewiss bescheiden. Dennoch glaube ich, daß wir getan haben, was unter den damaligen Verhältnissen möglich war.“

Um die Bescheidenheit dieser Aussage angemessen würdigen zu können, muß man wissen, daß der spätere Chefredakteur der „Württemberg-Badischen-Gewerkschafts-Zeitung“ zu den führenden Gewerkschaftsfunktionären gehörte, die im Herbst 1933 die Illegale Reichsleitung der Deutschen Gewerkschaften bildeten. Seine Aufgabe war es, die Verbindung in die Schweiz und nach Holland herzustellen. Der ehemalige Bezirksleiter des Holzarbeiter-Verbandes war es auch, der gemeinsam mit Fritz Tarnow und Heinrich Schliestedt an der berühmten Reichenberger Konferenz 1935 in der Tschecheslowakei teilnahm, wo gemeinsam mit einigen Vertretern der sozialdemokratischen Exilorganisation SOPADE die Auslandsvertretung der deutschen Gewerkschaften (ADG) aus der Taufe gehoben wurde. Auch in den folgenden Jahren kam Scheffler, seine Reisetätigkeit geschickt durch die Gründung eines eigenen Verlages tarnend, immer wieder zu äußerst riskanten Treffen mit Vertretern internationaler Gewerkschaftsorganisationen zusammen. Er übernahm dabei umfangreiches gegen die Nazis gerichtetes Material und verteilte dieses über das von ihm gebildete Netz von Vertrauensleuten. Im Frühjahr 1939 schließlich wurde Scheffler gemeinsam mit dem ehemaligen Vorstandsmitglied des Deutschen Metallarbeiterverbandes Erich Bührig, dem Zweiten Vorsitzenden des Deutschen Buchdrucker-Verbandes, Richard Barth und weiteren 20 Kollegen von der Gestapo verhaftet und in das Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt.

Der 1951 in Stuttgart verstorbene Gewerkschaftsjournalist ist eine der Personen, die wir in unserer Ausstellung porträtieren. Gerne hätten wir das genannte Zitat als Obertitel für die Wanderausstellung gewählt. Doch wir haben diese Idee deshalb verworfen, weil heute leider viele, selbst in den Gewerkschaften, im Abstand von mehr als sechzig Jahren dazu neigen, den Sinn der Worte weniger als eine nüchterne Charakterisierung der kaum zu überwindenden Asymmetrie zwischen dem nahezu grenzenlosem NS-Terror und einem sehr stark eingeschränkten Handlungspotential des Widerstandes begreift, denn als Selbstzeugnis des angeblichen Versagens gewerkschaftlichen Kampfes gegen das NS-Regime.

Was die Erinnerung an den Widerstand aus der Arbeiterbewegung im Allgemeinen und der Gewerkschaften im Besonderen anbelangt, so werden wir inzwischen von einer vierten zeithistorischen Welle überrollt. Gleich nach dem Ende des „Dritten Reiches“ wurde der Widerstand entweder geleugnet, als Verrat denunziert oder auf den Attentatsversuch am 20. Juli 1944 beschränkt. Im Sinne dieser vorherrschenden Auffassung wurde der Stellvertretende Vorsitzende des ADGB, Wilhelm Leuschner, nicht wegen seiner Widerstandstätigkeit im Rahmen der Illegalen Reichsleitung, sondern allein im Zusammenhang mit den konservativ-nationalen Widerstandszirkeln gewürdigt. Das änderte sich grundlegend in den späten sechziger und siebziger Jahren. Nicht zuletzt auch auf Initiative des damaligen DGB-Vorsitzenden Heinz Oskar Vetter hin entstanden mehrere Publikationen, die den Widerstand der Gewerkschaften sowohl regional als auch überregional, sowohl hinsichtlich der unterschiedlichen politischen Richtungen als auch im Hinblick auf die Widerstandstätigkeit einzelner Berufsverbände untersuchten. Doch schon bald schwappte eine neue Welle zurück, noch bevor die erreichbaren Quellen alle ausgewertet worden waren. Gewerkschaftliche Widerstandstätigkeit bestand, wie es danach hieß, aus „Arbeit im kleinsten Zirkel“ und spätestens ab 1936 bestenfalls aus passivem Abwarten, wenn nicht sogar aus Anpassung. Der zweifelsohne angesichts mancher Übertreibungen sinnvollen Relativierung folgte das Vergessen. Heute ist es offenbar wieder wie in den fünfziger und frühen sechziger Jahren ohne öffentlichen Widerspruch möglich, im Rahmen der offiziellen Gedenkveranstaltung der Bundesregierung zum Jahrestag des Attentatversuchs am 20. Juli über den deutschen Widerstand feierliche Ansprachen zu halten, ohne auch nur mit einem einzigen Wort auf den Widerstand aus der Arbeiterbewegung, geschweige denn aus den Gewerkschaften, einzugehen. Schlimmer noch: während die Wilhelm Furtwänglers, Heinrich Georges oder Paul Reuschs in dickleibigen und prächtigen neuen Biographien sowie viel beachteten Fernsehdokumentationen eine verständnisvolle, einfühlsame, äußerst differenzierte, schwarz-weiß Dichotomien ablehnende Betrachtung ihres Verhaltens im „Dritten Reich“ erfahren, scheint sich mehr und mehr die Meinung durchzusetzen, daß es den Nationalsozialisten im großen und ganzen wohl gelungen sei, eine wahre „Volksgemeinschaft“ zwischen „Führer“ und Volk herzustellen. Es entbehrt dabei, dies sei hier nur am Rande erwähnt, nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet solche Autoren „Hitlers Volksstaat“ Realität unterstellen, die einige Jahre zuvor die gesamte „Arbeiterklasse“ im Kampf gegen die faschistische Diktatur wähnten, allerdings mit der Ausnahme der sie angeblich „Hand in Hand“ mit den Nazis verratenden so genannten Gewerkschaftsbonzen.

In einer Zeit des Wandels vom kommunikativen zum kulturellen Gedächtnis, einer Zeit, in der die nationalsozialistische Diktatur immer weniger ein Gegenstand gesellschaftlicher Auseinandersetzungen zwischen Zeitgenossen und den nachfolgenden Generationen ist, wird die Erinnerung daran unausweichlich zunehmend auch durch die Politik gemacht. Gerade in diesen Zeiten neuer Unübersichtlichkeit, in denen bisherige Zukunftsideologien, seien es traditionale oder fortschrittliche, zusammengebrochen sind, wendet sich der Blick des nach einer neuen Identität suchenden modernen Menschen auf die so genannten „lieux de mémoire“, wie der französische Soziologe Pierre Nora als einer der ersten überzeugend dargelegt hat. So u. a. erklärt sich z. B. der für viele Menschen kaum nachvollziehbare Boom der Museen, Gedenkstätten und Denkmäler.

Die Herausbildung eigener „lieux de mémoire“, das ist kein „kultureller Tüttelkram“ angesichts globalisierter Bedrohungsszenarien, kein Luxusproblem im Zeichen sich immer stärker durchsetzender prekärer Arbeitsverhältnisse, sondern das ist eine Frage des Überlebens kollektiver zivilgesellschaftlich organisierter Zusammenschlüsse im Zuge einer zunehmend bindungslosen Gesellschaft. An die Stelle von politischen Theorien, sozial-ökonomischen Erklärungsmodellen, Fortschrittsglaube, familiären sowie kulturellen Traditionen und religiösen Bindungen tritt die in Zeichen und Symbolen geronnene Erinnerung, das erinerungspolitisch mit unterschiedlichen Mitteln erzeugte Gedächtnis als der die unübersichtliche Gegenwart strukturierende Sinn aus der Vergangenheit.

Verfolgung und Widerstand deutscher Gewerkschafter im „Dritten Reich“, das kann zweifellos ein solcher „lieux de mémoire“ werden. Denn allein im Rahmen des von Siegfried Mielke und mir über mehrere Jahre gemeinsam mit Studentinnen und Studenten des Otto-Suhr-Instituts der Freien Universität Berlin inzwischen auf drei dicke Bände angewachsenen, noch immer nicht abgeschlossenen biographischen Projekts gelang es, etwa 500 Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter zu porträtieren, die in den beiden Konzentrationslagern Oranienburg und Sachsenhausen in den Jahren 1933-1945 inhaftiert waren. Würde man ein vergleichbares Forschungsprojekt auf alle Gefängnisse und Lager der NS-Diktatur ausdehnen, so kämen leicht die Namen von mehreren tausend ehemaligen Funktionären und Mitgliedern der verschiedenen Gewerkschaften zusammen, die wegen ihrer politischen Gegnerschaft oder ihres Widerstandes von den Nationalsozialisten terrorisiert und verfolgt wurden. Auf diese Vielzahl von Widerstandskämpfern und NS-Verfolgten in den bundesrepublikanischen Verbänden der Gewerkschaftsbewegung können wir gerade jetzt besonders stolz sein, da jede wissenschaftliche Studie über die Geschichte staatlicher Ämter, sei es das Auswärtige Amt, das Bundeskriminalamt, das Justizministerium oder der Bundesnachrichtendienst, den Nachweis führt, dass selbst nationalsozialistische Massenmörder dort in großer Zahl ihre Karrieren fortsetzen konnten. Leider aber sind die weitaus meisten Widerstandskämpfer und NS-Verfolgten aus den Reihen der Gewerkschaften, wie wir leider feststellen mussten, in Vergessenheit geraten. Das Gedenken an sie beschränkt sich zumeist, von wenigen Prominenten abgesehen, auf die eine oder andere Straßenbenennung in ihren ehemaligen Heimat- oder Wohnorten, wo wahrscheinlich außerhalb der Gemeindeverwaltungen nur noch Heimatforscher mit den Straßennamen auch Menschen und ihre Schicksale verbinden können.

Seit mehreren Jahren versucht daher die Gedenkstätte Sachsenhausen, die Erinnerung an die in den Konzentrationslagern inhaftierten Gewerkschafter zu wecken und zu verstärken. Dabei wird die Gedenkstätte inzwischen dankenswerterweise sowohl von Einzelgewerkschaften als auch vom Bundesvorstand des DGB sowie von der Hans-Böckler Stiftung unterstützt. Vor allem Michael Sommer und Dieter Scholz, dem ehemaligen DGB-Vorsitzenden von Berlin-Brandenburg, ist dafür zu danken, daß am 2. Mai 2008 im ehemaligen Kommandanturbereich des KZ Sachsenhausen ein beeindruckendes Denkmal für alle gefolterten und ermordeten Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter eingeweiht wurde. Wie wir beobachten können und wie das ringsum vollständig niedergetretene Gras beweist, verweilen viele Besucherinnen und Besucher vor diesem immer mit frischen Blumen geschmückten, aus zwei roten Steinblöcken mit einem aus dem Material herausgearbeiteten Emblem des ADGB bestehenden Mahnmal.
Auch die heute hier eröffnete Wanderausstellung „’Seid wachsam, daß über Deutschland nie wieder die Nacht hereinbricht.’ Deutsche Gewerkschafter im KZ 1933-1945“ ist das Ergebnis eines von Siegfried Mielke und mir am Otto Suhr Institut der Freien Universität Berlin durchgeführten zweisemestrigen Projektkurses forschendes Lernen. Zwölf Studentinnen und Studenten haben zusammen mit Diplomanten und Doktoranden 34 Biographien von Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern erarbeitet, die in unterschiedlichen Konzentrationslagern inhaftiert waren. Zehn von ihnen, nämlich Lothar Erdmann, Otto Gerig, Heinrich Hiertsiefer, Fritz Husemann, Hermann Jochade, Mathilde Klose, Rudolf Lentzsch, Wilhelm Leuschner, Heinrich Uetzfeld und Marie Wolff, haben Verfolgung und Terror nicht überlebt, weitere vier Gewerkschafter, nämlich Hans Adloch, Alwin Brandes, Josef Simon und Ewald Sülter sind an den Spätfolgen ihrer Haft verstorben. Nahezu alle Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, die Inhaftierung und Folter überlebten, beteiligten sich nach dem Krieg überwiegend in führenden Stellungen am Wiederaufbau der Gewerkschaften. Einige Beispiele will ich kurz nennen: der im KZ Sachsenhausen inhaftierte Nikolaus Bernhard wurde zum ersten Vorsitzenden der IG Bau Groß Berlin gewählt. Der ehemalige hauptamtliche Gewerkschaftssekretär des ADGB-Ortsausschusses Tuttlingen Fritz Fleck wurde von den Nazis in das KZ Heuberg verschleppt. Er stieg nach dem Krieg zum Ersten Vorsitzenden des Gewerkschaftsbundes Südwürttemberg-Hohenzollern und später zum Bezirksleiter des DGB auf. Der aus Amberg in Oberbayern stammende Lorenz Hagen musste mehrere Jahre Haft in den Konzentrationslagern Dachau und Buchenwald ertragen. Gleich nach dem Krieg wurde Hagen zum Vorsitzenden der Arbeitgemeinschaft Bayrischer Gewerkschaften und anschließend zum Vorsitzenden des DGB-Landesbezirks Bayern gewählt, eine Funktion, die er bis 1955 ausfüllte. Einer der bedeutendsten Widerstandskämpfer gegen die Nationalsozialisten aus den Reihen der Gewerkschaften war zweifellos der ehemalige Lokführer Hans Jahn. Er überstand die Haft im Berliner KZ Columbia. Nach der Befreiung 1945 wurde er der erste Vorsitzende der Gewerkschafter der Eisenbahner Deutschlands und vertrat die deutschen Gewerkschaften in zahlreichen internationalen Organisationen. Der ehemalige Porzellanmaler Albin Karl, der ebenfalls im Berliner KZ Columbia inhaftiert war, stieg neben Hans Böckler zum stellvertretenden Vorsitzenden des neu gegründeten Deutschen Gewerkschaftsbundes auf. Hans Jendretzky, der als Leiter der Berliner kommunistischen RGO von den Nationalsozialisten für zwei Jahre in das KZ Sachsenhausen verschleppt worden war, übernahm in den Jahren 1946-1948 die Position des ersten Vorsitzenden des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes in der Sowjetisch Besetzten Zone. Auch der erste Vorsitzende der Gewerkschaft ÖTV, Adolph Kummernuss, der DGB-Vorsitzende in Baden-Württemberg Wilhelm Reibel, der stellvertretende Vorsitzende des DGB-Landesbezirks Bayern Gustav Schiefer, der Vorsitzende des Verbandes der Nahrungs- und Genussmittelarbeiter, Jacob Schlör, der Vorsitzende der Sozialistischen Freien Gewerkschaft Walter Schmedemann und das Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstandes der ÖTV, Ingeborg Tönnesen, kamen aus den Konzentrationslagern des „Dritten Reiches“. Es ist daher wohl nicht übertrieben, anzunehmen, daß ihre Erfahrungen von Widerstand und Verfolgung, von Terror und Lagerhaft den Neubeginn und den Aufbau der deutschen Gewerkschaften in der Bundesrepublik ebenso wie in der DDR nicht unmaßgeblich mitbestimmten. Nicht wenige von ihnen redeten aber bei ihren Kolleginnen und Kollegen wenig über das Leid, das sie erdulden mussten, und verschwiegen oder banalisierten aus ähnlichen Motiven wie Hermann Scheffler ihren Widerstand gegen das NS-Regime.

Dabei muss man sich vor Augen halten, daß die für die Ausstellung erarbeiteten Biographien nur eine kleine Auswahl darstellen, wobei wir versucht haben, Beispiele von Gewerkschaftern aus möglichst vielen Einzelgewerkschaften sowie Regionen Deutschlands herauszusuchen. Während in der die Ausstellung begleitenden Publikation alle 34 Biographien vorgestellt werden, die in dem Projekt erarbeitet wurden, musste für die Wanderausstellung aus Platzgründen noch einmal eine nicht einfache Auswahl getroffen werden. Die heute hier in Trier gezeigte Ausstellung präsentiert sechzehn Biographien von Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern. Besonders wünschenswert wäre aber für uns, wenn die jeweiligen Ausleiher unserer Ausstellung den Anstoß, den wir geben wollen, aufnehmen und mithilfe der Publikation oder anderer Begleitmaterialen, die Ausstellung selbständig um weitere Biographien ergänzen.

Ohne die großzügige finanzielle Förderung durch die Hans-Böckler-Stiftung hätte unsere Ausstellung nicht realisiert werden können. Die Böckler-Stiftung wird auch ihre weitere Wanderung begleiten. Dafür möchte ich mich ganz herzlich bei der Gewerkschaftsstiftung, insbesondere bei Wolfgang Jäger, bedanken. Ganz herzlichen Dank möchte ich auch allen Kolleginnen und Kollegen sowie der Volkshochschule Trier sagen, die es ermöglicht haben, dass unsere Wanderausstellung auch hier in Trier gezeigt werden kann.

„Seid wachsam, daß über Deutschland nie wieder die Nacht hereinbricht.“ – Dieses Zitat, für das wir uns als Titel unserer Ausstellung letztlich entschieden haben, stammt aus einer 1946 gehaltenen Rede des Hamburger Sozialdemokraten und aktiven Gewerkschafters Walter Schmedemann. Gleich nach der Machtergreifung wurde er aus politischen Gründen als Betriebsratsvorsitzender im Hamburger Krankenhaus St. Georg entlassen und nur sechs Wochen später bereits in Haft genommen. Trotz schärfster Warnungen durch die Gestapo begann Schmedemann schon kurz nach seiner Entlassung damit, den Widerstand zu organisieren, indem er u. a. illegal Flugblätter und Zeitungen herstellte. Schmedemann wurde daraufhin erneut verhaftet, schwer gefoltert und in das Konzentrationslager Fuhslbüttel verschleppt. Wegen seines Widerstandes als einer von 150 weiteren Angeklagten zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt, ließen die Nationalsozialisten ihn nach der Verbüßung seiner Gefängnisstrafe nicht frei, sondern transportierten ihn in das Konzentrationslager Sachsenhausen, wo er weitere 13 Monate lang schwersten Misshandlungen ausgeliefert war. So hängte die SS den Hamburger Gewerkschafter über eine halbe Stunde lang an den auf dem Rücken zusammengebundenen Händen an einen Pfahl, eine Folter, der wenige Monate später der Chefredakteur der Gewerkschaftszeitung „Die Arbeit“ Lothar Erdmann an gleicher Stelle erlag. Die Verletzungen, die er dabei davontrug, hinterließen bei Walter Schmedemann dauerhafte gesundheitliche Schäden, die ihn bis zu seinem Lebensende quälten. Im Herbst 1938 aus dem KZ entlassen, blieb er nur ein knappes Jahr in Freiheit. Gleich zu Kriegsbeginn war Schmedemann einer von mehr als 800 politischen Gegnern des Nationalsozialismus, unter ihnen zahlreiche Gewerkschafter, die die Nationalsozialisten erneut in das Konzentrationslager bei der Reichshauptstadt verschleppten. Kaum aus dem KZ entlassen, gründete Schmedemann trotzdem wieder eine kleine Widerstandsgruppe in seiner Heimatstadt, die u. a. Zwangsarbeiter mit Lebensmitteln und Kleidung versorgte. Als nach dem Attentatsversuch vom 20. Juli 1944 im Rahmen einer großen Verhaftungsaktion, der so genannten Aktion Gitter, erneut zahlreiche Gewerkschafter durch die Nationalsozialisten festgenommen wurden, war Schmedemann auch dabei. Er blieb bis in den April 1945 in Gestapohaft.

Als Gründer und erster Vorsitzender der Sozialistischen Freien Gewerkschaft, einer unmittelbar nach der Befreiung vom Nationalsozialismus von unten gebildeten, bald aber schon von der britischen Besatzungsmacht verbotenen Organisation, bewies er seine durch keine Folter und keine NS-Propaganda zu brechende Verbundenheit mit den Ideen freier überparteilicher Gewerkschaften. Auch von ihm, dem trotz mehrfacher Gestapo- und KZ-Haft immer wieder erneut den Widerstand organisierenden Gewerkschafter und Sozialdemokraten, ist ein Ausspruch überliefert, der ganz ähnlich, wie das zu Beginn meiner Rede vorgelesene Zitat von Hermann Scheffler, eine nüchterne unprätentiöse Bilanz von zwölf Jahren Terror und Widerstand zieht. Es sei abschließend zitiert: „Oft wurde uns gesagt: ‚Was Sie tun, ist sinnlos.’ Das wussten wir selbst, daß das nicht zum Zuge kam. Es galt aber für die kommende Zeit, von der wir wussten, daß sie kam, den Beweis zu erbringen, daß wir nicht niederzuringen waren.“