Rede: Kontinuität im Wandel. 20 Jahre Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, 26. Februar 2013

20 Jahre Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten
Festakt
26. Februar 2013

Günter Morsch
KONTINUITÄT IM WANDEL: 20 JAHRE STIFTUNG BRANDENBURGISCHE GEDENKSTÄTTEN
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident Fritsch,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident Platzeck,
Herr Ministerpräsident Dr. Stolpe,
liebe Frau Bäckerova,
Monsieur Bordage,
Herr Jänichen,
lieber Herr Faulenbach,
sehr geehrte Abgeordnete des Brandenburger Landtages und Mitglieder der Landesregierung,
Exzellenzen, Vertreter ausländischer Staaten,
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

im Namen der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten möchte auch ich Sie zunächst ganz herzlich zu unserem Festakt aus Anlass unseres zwanzigsten Geburtstages begrüßen. Im Namen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stiftung bedanke ich mich bei der Landesregierung, insbesondere bei Herrn Ministerpräsidenten Platzeck, sowie dem Brandenburgischen Landtag, an seiner Spitze Präsident Gunther Fritsch, für die Ehre, die der Gedenkstättenstiftung mit diesem Festakt hier in der Staatskanzlei erwiesen wird.
Mißt man das Alter unserer Einrichtung mit menschlichen Maßstäben, so haben wir gerade erst die Volljährigkeit erreicht. Doch diese vor dem Hintergrund der Geschichte relativ kurze Zeitspanne, auf die wir heute zurückschauen, ist in den sogenannten neuen Bundesländern nicht die Ausnahme, sondern eher die Regel. Es sind zwei Jahrzehnte, die mit Ereignissen und Entscheidungen, mit Debatten und Diskussionen, mit Aufbrüchen und Anfängen, mit Verlusten und Veränderungen sowie mit Abriss und Aufbau prall gefüllt waren. Geschichte scheint sich zeitweilig eine Atempause zu nehmen und dann beschleunigt sie plötzlich in einem Atem beraubenden Tempo, bei dem wir, die wir doch als Subjekte die Akteure der Zeitverläufe sind oder zumindest sein sollten, uns eher wie in einem Strudel mitgerissen fühlen. Eine solche Phase der ungeheuren Beschleunigung und Verdichtung haben auch die in der Stiftung zusammengeschlossenen Gedenkstätten, in Brandenburg an der Havel, in Ravensbrück und in Sachsenhausen mit seiner Außenstelle im Belower Wald, in den vergangenen zwanzig Jahren erlebt. Blickt man allerdings auf die Entwicklung der letzten beiden Jahrzehnte zurück, so erstaunt m. E. eher die Kontinuität und Beharrlichkeit, in denen die Gedenkstättenstiftung trotz ständiger neuer Herausforderungen den grundlegenden Wandel bewältigen konnte. Dies will ich meinen Ausführungen als Hauptthese vorausschicken.
Um den enormen Wandlungsprozess zu verdeutlichen, reicht es aus, darauf hinzuweisen, daß in beiden so genannten Nationalen Mahn- und Gedenkstätten, die die DDR schon 1959 bzw. 1961 eröffnete, weder Ausstellungen noch Darstellungen, weder Gedenken noch Vermitteln bis zur friedlichen Revolution 1989 sich veränderten. Der instrumentalisierte Antifaschismus der DDR war im wahrsten Sinne des Wortes erstarrt und gerade deshalb immer wirkungsloser.
In großen gemeinsamen Kraftanstrengungen hat die Gedenkstättenstiftung dagegen seit ihrer Gründung mehr als 60 zumeist denkmalgeschützte Gebäude saniert; rund 61 Millionen Euro haben dafür vor allem die Landes- sowie die Bundesregierungen und die Europäische Kommissionen aufgewendet. 64 neue Ausstellungen wurden realisiert, davon 20 Dauer- und 32 Sonderausstellungen. In der gleichen Zeit erschienen allein in den drei Schriftenreihen der Stiftung 36 Publikationen, von Ausstellungskatalogen über Forschungsbeiträge bis hin zu Erinnerungsschriften. Schließlich besuchten nach unseren Schätzungen mehr als 8,6 Millionen Menschen aus aller Welt die Gedenkstätten der Stiftung; in 72.000 Führungen oder im Rahmen pädagogischer Projekte wurden sie von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betreut.
Ich hatte mir vorgenommen, meine sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste, Sie mit derlei Zahlenbilanzen, die ich selbstverständlich problemlos fortsetzen könnte, nicht zu langweilen. Mir ging es einzig darum, Ihnen am Beispiel der brandenburgischen Gedenkstättenstiftung das Tempo und den Umfang des Wandels deutlich werden zu lassen, der in diesen zwei Jahrzehnten die Erinnerungskultur nicht nur in Brandenburg, sondern nach und nach in der gesamten Bundesrepublik stark veränderte. Allerdings, dies dürfen wir wohl auch sagen, waren die beiden in Brandenburg und Thüringen fast zeitgleich gegründeten Gedenkstättenstiftungen Vorreiter dieser Entwicklung und gelten bis heute als Vorbilder. Die grundlegenden Veränderungen der bundesdeutschen Gedenkstättenlandschaft seit der deutschen Einheit heben sich aber nicht nur von den im instrumentalisierten Antifaschismus erstarrten großen Nationalen Mahn- und Gedenkstätten der DDR, sondern auch von den sehr viel dynamischeren, häufig von ehrenamtlichen Initiativen getragenen, vorwiegend aber kleinen und politisch marginalisierten Gedenkstätten der alten Bundesrepublik ab.
Mit dem fast alle Tätigkeitsfelder umfassenden Prozess der Modernisierung, Neukonzeption und Neugestaltung der Gedenkstätten ging ein Wandel in der bundesdeutschen Erinnerungskultur einher, den man mit dem Begriff des Paradigmenwechsels durchaus nicht überzeichnet. Es galt die Erinnerung an die von Deutschland begangenen unvergleichlichen Verbrechen im „Dritten Reich“ als Teil der nationalen Identität im vereinten Deutschland anzunehmen und zu verankern sowie zugleich das in der kommunistischen Diktatur geschehene Unrecht ohne Aufrechnung und Vermischung mit der NS-Diktatur aufzuarbeiten. Denn ohne diesen Paradigmenwechsel hätte Deutschland nicht in die Gemeinschaft der anderen europäischen Staaten zurückfinden können. Die historisch berechtigten Vorbehalte und Ängste gegenüber einem vereinten Deutschland waren bei seinen europäischen Nachbarn groß. Es ist vor allem auch den Gedenkstätten und ihrer international anerkannten Arbeit zu verdanken, wenn dieses Mißtrauen inzwischen größtenteils einer verbreiteten Anerkennung gewichen ist. Die Gedenkstätten sind für das internationale Ansehen Deutschlands von großer Bedeutung. Das wird gerade dann deutlich, wenn man sich in der Welt ein wenig umschaut, umhört und vergleicht.
Dem Paradigmenwechsel in der deutschen Erinnerungskultur entspricht ein neues Konzept und Verständnis von Gedenkstätten. Sie werden heute vorwiegend als zeithistorische Museen mit besonderen humanitären und bildungspolitischen Aufgaben verstanden. Mit diesem etwas sperrigen Begriff beschreiben wir vor allem die Integration von zeithistorischer Forschung, den Aufbau und die Pflege professioneller Sammlungen, die Erarbeitung moderner Ausstellungen, die Betreuung vor allem der Opfer und ihrer Familien sowie das pädagogisch-didaktische Konzept des offenen Lernortes. Gedenkstätten an authentischen Orten, wo die Verbrechen nicht nur geplant, sondern auch geschahen, bleiben aber auch weiterhin internationale Friedhöfe, an denen Trauer und Gedenken möglich sein muss. Mit diesem neuen Konzept reagierten die Gedenkstätten schon frühzeitig auf den von ihnen vorweggenommenen Übergang vom kommunikativen zum kulturellen Gedächtnis, der in Politik und Medien erst den letzten Jahren wahrgenommen und nicht selten stark problematisiert wird.
Moderne Gedenkstätten als zeithistorische Museen, das ist das inhaltliche Programm, dem die Einrichtungen der Stiftung von Beginn an folgten. Ravensbrück und Sachsenhausen mit seiner Außenstelle, der Gedenkstätte Todesmarsch im Belower Wald, sind auf diesem Weg in den vergangenen 20 Jahren zweifellos weit vorangekommen, auch wenn sie nach wie vor nicht am Ziel angekommen sind. Unsere Dokumentationsstelle in der Stadt Brandenburg an der Havel dagegen verharrte bis vor kurzem bedauerlicherweise nach wie vor im langen Schatten des Ersten Staatsratsvorsitzenden der DDR, der als ehemaliger Häftling im Zuchthaus Görden dort eine neue, monumentale Mahn- und Gedenkstätte errichten wollte. Doch seit vorigem Jahr, als wir am authentischen Ort des nationalsozialistischen Krankenmordes eine neue Gedenkstätte eröffnen konnten, keimt neue Hoffnung auf. Das Programm und Konzept der Gedenkstätten als zeithistorische Museen ist einer der wichtigsten Gründe für die in meiner Ausgangsthese formulierte erstaunliche kontinuierliche Entwicklung der Gedenkstättenstiftung.
Richtungsweisend für die Einrichtungen der Stiftung und damit auch eine der Hauptursachen ihrer kontinuierlichen Entwicklung war die kluge politische Entscheidung der damaligen Landesregierung mit Ministerpräsident Dr. Stolpe und Kulturminister Dr. Enderlein 1991 eine Expertenkommission einzusetzen, die im Januar 1992 „Empfehlungen zur Neukonzeption der brandenburgischen Gedenkstätten“ vorlegte. Die aus sieben Mitgliedern bestehende Kommission unter ihrem Vorsitzenden Dr. Bernd Faulenbach beschäftigte sich ungewöhnlich intensiv mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der drei Orte. Ihre auf 100 Seiten gedruckten, tiefgehenden Analysen und Vorschläge schlugen Schneisen und Wege in das nur schwer zu durchdringende Dickicht der unabweisbaren Veränderungen, denen wir teilweise bis heute folgen. In erster Linie aber war es der Vorschlag der Expertenkommission zu den Aufgaben und Strukturen der neu zu bildenden Gedenkstättenstiftung, der den organisatorischen Rahmen schuf, in dem wir uns seitdem bewegen. Die von der Kommission vorgeschlagene Idee einer selbständigen und unabhängigen Stiftung war seinerzeit im Bereich der Gedenkstätten völlig neu, inzwischen wurde sie auch von anderen Bundesländern übernommen. Vor dem Hintergrund und der Erfahrung politisch instrumentalisierter Gedenkstätten der DDR konzipierten sie die Stiftung als eine in inhaltlichen Fragen weitgehend autonome Einrichtung, die zwar von der öffentlichen Hand finanziert und getragen wird, deren Einfluss sich aber auf grundsätzliche Angelegenheiten, wie z. B. Haushalt oder Geschäftsordnungen, beschränken soll. Hingegen sollen die inhaltlichen Fragen und Probleme der Erinnerung und des Gedenkens in erster Linie in der Zusammenarbeit von Fachkommission, internationalem Opferbeirat und wissenschaftlichen Gedenkstättenleitungen gelöst werden. Das, wie ich es nennen möchte, Subsidiaritätsprinzip der brandenburgischen Gedenkstättenstiftung, demzufolge Historiker einerseits und Opfer- sowie Verbändevertreter andererseits grundsätzlich getrennt tagen, hat es möglich gemacht, daß in den vergangenen 20 Jahren meiner Erinnerung nach fast alle inhaltlichen Entscheidungen zwischen den drei Stiftungsorganen, internationaler Beirat, Fachkommission und Stiftungsrat, in großem Einvernehmen getroffen wurden. Erfolg und Sinnhaftigkeit dieses Stiftungsmodells sind daran zu ermessen, daß auch unter wechselnden Landesregierungen die aus den Empfehlungen der Expertenkommission hervor gegangene Stiftungssatzung im Wesentlichen beibehalten wurde, wie auch der mir bekannte neueste Novellierungsentwurf erneut bestätigt.

Als die Stiftung gegründet wurde, war wahrscheinlich den meisten Akteuren der ganze Umfang der erforderlichen baulichen Sanierungs- und Sicherungsmaßnahmen in den Gedenkstätten nicht bewußt. Auch der Expertenbericht enthält dazu fast keine Aussagen. Schnell erkannte die Stiftung das ganze Ausmaß von Verwahrlosung und Verfall nicht nur der baulichen Relikte aus der Zeit des „Dritten Reiches“, sondern auch der von der DDR errichteten Denkmale, architektonischen Gestaltungen und Museen. Mit dem Wegzug der Militärs von NVA und Roter Armee, die wichtige Teile der ehemaligen Konzentrationslager besetzt hatten, konnten weitere original erhaltene Baulichkeiten in die Gedenkstätten integriert werden, die von großer historischer Bedeutung sind, wie z. B. das ehemalige Häftlingslager des KZ Ravensbrück oder die Steinbaracken in der Zone II des sowjetischen Speziallagers. Auf Vorschlag der mit der Stiftung eng zusammenarbeitenden Bauverwaltungen erarbeiteten Architekten daraufhin zunächst zwei Gebäudekataloge und schätzten den Investitionsbedarf. Mit über 130 Millionen DM in Sachsenhausen und mehr als 80 Millionen DM in Ravensbrück übertrafen die sicher eher konservativen Berechnungen der Architekten alle Befürchtungen. Auf der Basis inhaltlicher und konzeptioneller Überlegungen der Gedenkstätten, baufachlicher Einschätzungen der Bauverwaltungen und Stellungnahmen der Denkmalpflege erarbeitete die Stiftung daraufhin zwei Zielplanungen. In ihnen wurde festgelegt, welche Gebäude für Nutzungsanforderungen saniert, welche lediglich gesichert und welche dem allmählichen Verfall preisgegeben werden sollten. Die intensiv und breit geführten Diskussionen, an denen sich nicht nur die Mitglieder der beiden Beratungsgremien, sondern auch eine eigens dafür gegründete Kommission von Kunstexperten beteiligten, führten im Falle von Sachsenhausen zu einer einhellig von allen Beteiligten begrüßten und bereits 1995 konsensual im Stiftungsrat verabschiedeten Zielplanung. Hingegen konnten Meinungsunterschiede über die konzeptionelle Entwicklung der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück erst Anfang des neuen Jahrtausends endgültig beigelegt werden. Die beiden von allen Organen der Stiftung beschlossenen Zielplanungen sind die Garanten der Kontinuität im Baubereich. Auf sie und die darauf aufbauenden detaillierten Bauplanungen führe ich es vor allem zurück, daß kein einziges der knapp 70 Sanierungs- und Sicherungsprojekte der Gedenkstättenstiftung scheiterte. Selbst Aufsehen erregende und später mit Architekturpreisen überhäufte, kühne Experimentalbauten, wie der Neubau des „zentralen Gedenkortes Station Z“ in Sachsenhausen durch das Architektenbüro von Prof. HG Merz, gelangen und blieben im Wesentlichen im vorher kalkulierten Zeit und Kostenrahmen. Dieser Hinweis ist m. E. in einer Zeit nicht ganz unwichtig, in der des Öfteren behauptet wird, daß Bauen durch die öffentliche Hand prinzipiell zum Scheitern verurteilt sei.
Kontinuität ganz anderer Art ergab sich allerdings aus der Kehrseite des Gesamtvolumens der in den Zielplanungen festgelegten Baumaßnahmen. Obwohl alle Bundesregierungen von Beginn an den Stiftungshaushalt zur Hälfte mitfinanzierten und beträchtliche Drittmittel eingeworben werden konnten, sah sich das Land außerstande, die notwendigen Investitionen in einem einzigen Kraftakt zu realisieren. Aus den Haushaltszwängen folgte ein Stufenplan, der Jahr für Jahr fortgeschrieben wird. Das ist der Grund, warum auch nach zwanzig Jahren einige der in den Zielplanungen beschlossenen Baumaßnahmen immer noch ihrer Umsetzung harren, auch wenn in beiden Gedenkstätten ein Großteil der ins Auge gefassten Bauprojekte inzwischen erfolgreich abgeschlossen werden konnte.
Kontinuität in den Stürmen des Wandels der Erinnerungskultur war nicht zuletzt auch das Ergebnis der Unterstützung von Menschen, die uns über die beiden Jahrzehnte hinweg berieten, halfen und für uns stets solidarisch einstanden. An erster Stelle will ich die Überlebenden nennen, die mit anscheinend nie versiegendem Engagement für „ihre“ Orte kämpfen. Viele haben uns seit Stiftungsgründung begleitet. Selbst Alter und Krankheiten hielten sie nicht davon ab, zu Beratungen und Sitzungen zu kommen, wie schwer es ihnen auch immer fiel. Nicht wenige blieben bis zu ihrem Tod Mitstreiterinnen und Mitstreiter im internationalen Beirat. Ich denke dabei an Heinz Putzrath, Günter Nobel, Zislav Jasko, Ulf Müller, Pierre Gouffault und Adam König. Es ist für uns ein großes kaum zu überschätzendes Glück der Zeitläufe, daß wir den umfassenden Prozess der Neukonzeption und Neugestaltung der Gedenkstätten zusammen mit den Überlebenden und ihren Verbänden konzipieren und realisieren durften. Nicht nur Überlebende der Lager, sondern auch viele Vertreter der Opferverbände, der Zentralräte der Juden sowie der Sinti und Roma, der Homosexuellen oder der Aktion Sühnezeichen beraten und unterstützen die Stiftung seit ihrer Gründung. Aber auch in der Fachkommission begleitet und berät die Mehrheit der Mitglieder die Stiftung seit vielen Jahren, teilweise waren sie bereits in der Expertenkommission an der Ausarbeitung Empfehlungen beteiligt. Einfluss und Gestaltungskraft der Vorsitzenden beider Beratungsgremien, Prof. Faulenbach und Dr. Thomas Lutz, die gleichfalls schon der Expertenkommission angehörten, können kaum überschätzt werden. Es ist ihnen stets gelungen, die Heterogenität der Interessen verschiedener Opfergruppen und die Unterschiedlichkeit wissenschaftlicher Auffassungen so zu vertreten, daß selbst politisch und menschlich schwierige Themen gemeinsam beraten und Lösungen gefunden werden konnten, die zum ganz überwiegenden Teil akzeptiert wurden. Sie sind insbesondere für die Gedenkstättenleitungen unverzichtbare Gesprächspartner, die manche Kommunikationsstörungen, wie es sie immer wieder mit den Mittelgebern oder Opfer- und Interessenverbänden gibt, durch ihr persönliches Engagement und ihre argumentative Überzeugungskraft beizulegen vermögen.
Kontinuierliche Unterstützung und Verständnisbereitschaft finden wir natürlich auch außerhalb der Stiftungsgremien, in den Ministerien, ich denke z. B, an Dr. Uwe Koch vom brandenburgischen Kulturministerium und Herrn Ralf Neukirchen vom Innenministerium, oder in den Verwaltungen, für die ich Herrn Roland Wende vom Brandenburgischen Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauten und Frau Katrin Rautenberg von der Verwaltung des Landtages stellvertretend nennen möchte. Diese Aufzählung kann natürlich nicht vollständig sein und ich bitte alle diejenigen um Verständnis, die ich jetzt aus Zeitgründen nicht mehr namentlich nennen kann.
In den Stürmen der Vergangenheitspolitik haben, wie man daher m. E. ohne Übertreibung zusammenfassen kann, die vier genannten Säulen das gesamte Gebäude zusammengehalten, auch wenn im Innern viel Bewegung stattfand. Seitdem wir vor zehn Jahren zum ersten Mal die Freude hatten, in einem Festakt im Landtag den Jahrestag der Stiftungsgründung zu würdigen, sind diese Stürme jedoch keinesfalls schwächer geworden, eine Hoffnung, die damals Prof. Faulenbach in seiner Rede geäußert hatte. Kontinuität und Beharrlichkeit könnten auch als eine Form der Erstarrung missdeutet werden. Dabei geht es der Stiftung gerade um das Gegenteil, nämlich die Erinnerung und das Gedenken den sich ständig ändernden Fragen und Wahrnehmungsweisen anzupassen. Wenn nachwachsende Generationen den Eindruck erhalten, daß Geschichte in einfache Lehrsätze gepresst wird, daß ihre Fragen durch fertige Antworten erstickt werden, dass Vergangenheit für die Legitimation der Gegenwart instrumentalisiert wird und dass Geschichte nicht als ein offener Prozess begriffen wird, bei dem es immer auch Alternativen gab, dann verleidet man den jungen Menschen den Umgang mit der Geschichte, tötet ihre Neugier ab und verhindert, daß aus der Geschichte Fragen an die Gegenwart und an die Zukunft entwickelt werden. Wer den nachwachsenden Generationen die Legitimation bestreitet, über die Vergangenheit kontrovers zu diskutieren, der versperrt ihr auch die Sicht auf Alternativen in der Gegenwart.
Moderne Gedenkstätten dürfen sich daher nicht zu Orten zurück entwickeln, in denen die Widersprüchlichkeit historischer Prozesse einer politischen Botschaft untergeordnet wird und sei sie noch so ehrenwert. So klar wie die Empathie mit den Opfern staatlichen Terrors in den Ausstellungen zu einem die Darstellung leitenden Prinzip herausgearbeitet werden muß, so deutlich aber muß auch jeder tagespolitisch motivierten Vereinfachung von Geschichte Im Namen des Gedenkens widersprochen werden. Das gilt in gleichem Maße für die Geschichte der Konzentrationslager, die heute selbstverständlich auch lange Zeit umstrittene Themen, wie die der sogenannten roten Kapos oder der so genannten Berufsverbrecher, behandelt , wie für die Geschichte der sowjetischen Speziallager. Es wäre höchst bedenklich, wolle man z. B. die außerordentlich große Heterogenität der Häftlingsgesellschaft in den sowjetischen Gefängnissen und Lagern verschweigen oder relativieren, zu der Nazi-Täter und Nazi-Mitläufer ebenso gehörten wie politische Gegner der kommunistischen Diktatur. Vielen älteren Besucherinnen und Besuchern, darunter nicht wenigen Zeitzeugen fällt es verständlicherweise schwer, den modernen Begriff von Gedenkstätten zu akzeptieren, die keine reinen Heldengedenkstätten mehr sein können, sondern offene Lernorte, zu denen selbstverständlich auch die Darstellung der Täter gehört. Doch gibt es dazu keine Alternative, wollen Gedenkstätten nicht zu Denkmälern erstarren, die niemand mehr beachtet, da sie ihre Wirkungskraft eingebüßt haben. Die Zukunftsfähigkeit der Gedenkstätten wird sich zunehmend daran bemessen, ob sie es schaffen, dem von verschiedenen Seiten, nicht zuletzt auch von Teilen der Politik, ausgeübten Druck zur Vereinheitlichung, Vereinfachung und Moralisierung der Geschichte zu widerstehen. Wenn Zeitgeschichte nach einem bekannten Bonmot Geschichte ist, die noch raucht, dann sollte man sich hüten, den Funken wieder anzublasen, weil sonst schnell daraus ein neuer verheerender Brand entstehen kann. Das haben wir in den vergangenen Jahren vor allem in den Staaten Ost- und Mitteleuropas bitter lernen müssen.
Zur Zukunftsfähigkeit der Gedenkstätten gehört in erster Linie auch, daß sie finanziell und personell in die Lage versetzt werden, den genannten Veränderungen in Museen und Ausstellungen in Pädagogik und im Gedenken Rechnung zu tragen. Denn nur dann erhalten wir Erinnerung und Gedenken lebendig und tragen damit dazu bei, dass der gerne wiederholte Satz vom Lernen aus der Geschichte erfüllt werden kann.
Die heutige Festveranstaltung gibt uns auch die Gelegenheit, um unseren aufrichtigen Dank an alle die Stiftung in vielfältigen Formen helfenden, unterstützenden und tragenden Einrichtungen sowie Personen zum Ausdruck zu bringen. Lassen Sie mich daher zum Schluss meiner Ausführungen, Ihnen allen versichern, wie sehr wir die Unterstützung und Hilfe, die wir von vielen Seiten erhalten, schätzen und anerkennen. Die bereits in unterschiedlichen Reden genannten, keinesfalls einfach aufzubringenden finanziellen Mittel, die der Stiftung vor allem von Land, Bund und EU aber auch von privaten Sponsoren Jahr für Jahr zur Verfügung gestellt wurden und werden, sind beachtlich und beeindruckend. Doch hinter den nüchternen Zahlen sollen die vielen Menschen in Ministerien und Verwaltungen nicht unsichtbar bleiben, die gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der verschiedenen Gedenkstätten sowie der Geschäftsstelle stets die besten Wege suchen, um die in der Satzung beschriebenen Aufgaben und Ziele unserer Stiftung zu erreichen. Es sind aber nicht nur die Regierungsmitglieder und Angehörigen der Verwaltungen, sondern auch die Abgeordneten im Landtag sowie im Bundestag, die Entscheidungen zu unseren Gunsten treffen, wohlwissend daß sie andere, kaum weniger berechtigte Ansprüche damit abweisen müssen. Die Erinnerungskultur in Deutschland soll auch, wie es richtig heißt, in der Zivilgesellschaft verwurzelt sein. Es sind die internationalen und nationalen Opfer- und Interessenverbände, deren Repräsentanten, wie z. B. die Präsidenten der Internationalen Häftlingskomitees, Annette Chalut und Roger Bordage, persönlich an vielen Beratungen teilnehmen, es sind die Mitglieder des internationalen Beirates und der Fachkommission der Stiftung, es sind die Fördervereine und Freundeskreise sowie viele auch außerhalb von Organisationen engagierte Privatpersonen, deren Unterstützung und Urteil für die Gedenkstätten vor allem deshalb wichtig sind, weil sie eine Brücke der Akzeptanz nicht nur in das Ausland, sondern auch zur deutschen Bevölkerung schlagen, der die Notwendigkeit einer Vermittlung negativer Geschichte immer aufs Neue vermittelt werden muss. Die kritischen, teilweise ablehnenden Reaktionen auf die Gedenkstätten von Teilen der Bevölkerung haben vor allem die politischen Repräsentanten der Städte und Gemeinden, Bürgermeister und Stadtverordnete, auszuhalten und auszugleichen, in denen sich die authentischen Orte der Verbrechen befinden. Ihnen allen, und auch denen, die ich aus Zeitgründen nicht nennen konnte, danke ich im Namen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gedenkstättenstiftung von ganzem Herzen. Mein letzter Satz aber soll den überlebenden Opfern von Holocaust und KZ-Verbrechen, von Gefängnis- und Speziallager-Haft gelten. Ihnen schulden wir vor allem deshalb Dank, weil sie trotz des ihnen angetanen Leids und Unrechts uns allen stets eine nicht zu ersetzende, moralische Stütze waren und sind.