Rede: Neue Dauerausstellung in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, 21. April 2013

ERÖFFNUNG DER NEUEN DAUERAUSSTELLUNG IN DER MAHN- UND GEDENKSTÄTTE RAVENSBRÜCK
21. APRIL 2013
BEGRÜSSUNG
PROF. GÜNTER MORSCH

Chère Madame Chalut,
Chère Madame Chambart de Lauwe,
Sehr geehrte Überlebende des Konzentrationslagers Ravensbrück,
Cher Monsieur Bordage,
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Platzeck,
Frau Bundesministerin Prof. Wanka,
Sehr geehrte Mitglieder der Landesregierung Prof. Kunst, Dr. Münch, Frau Tack,
Sehr geehrte Frau Dr. Berggreen-Merkel,
Exzellenzen, Vertreter ausländischer Staaten,
Sehr geehrte Abgeordnete des Bundestages sowie des Brandenburgischen Landtages,
Herr Bürgermeister,
Liebe Mitglieder des internationalen Beirates und der Fachkommission der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten,
Liebe Frau Eschebach,
Meine sehr geehrten Damen und Herren,

Es ist mir eine große Freude, Sie alle im Namen der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten ganz herzlich begrüßen zu dürfen. Dies ist heute für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Stiftung, nicht nur hier in Fürstenberg, sondern auch in Oranienburg, in Brandenburg und in Potsdam, ein großer und wichtiger Tag. Seit mehreren Jahren haben wir mit großem Ernst, mit nicht nachlassender Zielstrebigkeit und – vor allem hier in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück – mit großem Engagement darauf hin gearbeitet, am 68. Jahrestag der Befreiung zusammen mit den zu diesem Gedenktag aus aller Welt anreisenden KZ-Überlebenden eine neue Dauerausstellung zur Geschichte von Ravensbrück in der authentisch erhaltenen und umfangreich sanierten ehemaligen Kommandantur zu eröffnen.
Es war kein einfacher Weg. Ich bin daher in erster Linie den Überlebenden von Ravensbrück für die angesichts ihres Lebensalters keinesfalls selbstverständliche Geduld dankbar, mit der sie uns auf diesem Weg begleitet haben, aufmerksam und interessiert, drängend und gelegentlich kritisch, aber immer auch verständnisvoll und hilfsbereit. Vor kurzem erst hatten wir aufgrund eines Festaktes der Landesregierung und des Landtages die Möglichkeit, auf die nunmehr zwanzig Jahre zurückzuschauen, in denen die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten daran arbeitet, die ehemaligen Mahn- und Gedenkstätten der DDR auf der Grundlage neuer historischer Forschung und neuer konzeptioneller Überlegungen zu sanieren und umzugestalten, sie in moderne zeithistorische Museen mit besonderen humanitären und bildungspolitischen Aufgaben umzuwandeln. Vieles, worum in den Anfängen der Stiftung heftig gerungen wurde, ist seitdem angesichts der immer wieder neuen Herausforderungen in den Hintergrund gerückt, fast schon vergessen, wie z. B. der sogenannte Supermarktskandal, unter dessen schwierigen Auspizien wir die Erarbeitung einer neuen Dauerausstellung gleich bei Stiftungsgründung begannen und die von der damaligen Leitern, Frau Jacobeit, und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schon 1993 und 1994 eröffnet werden konnte. Das war damals so kurz nach der deutschen Einheit keinesfalls einfach, denn neuere historische Forschung über die Geschichte des KZ Ravensbrück gab es kaum und trotzdem wollte man die alte Ausstellung der vormaligen Mahn- und Gedenkstätte der DDR möglichst schnell ersetzen.
Die Fundamente der Erneuerung wurden vor allem in dieser Zeit gelegt. Vergessene, verdrängte oder verwahrloste Areale des authentischen Ortes, wie insbesondere das ehemalige Häftlingslager, konnten nicht nur nach 50 Jahren militärischer Umnutzung und Zerstörung wieder als riesiger und gerade in seiner Leere beklemmender Erfahrungsraum erschlossen oder sogar, wie die ehemalige Textilfabrik, das beeindruckende Zeugnis der Zwangsarbeit von Frauen, als Denkmale gesichert werden. Zusammen mit dem Jugendherbergswerk gelang es darüber hinaus auch, einen großen Teil der SS-Siedlung denkmalgerecht für eine internationale Jugendbegegnungsstätte herzurichten, in die zwei Museen zur Geschichte der Täterinnen und Täter des KZ-Terrors integriert wurden.
Ich kann und will hier nicht alle die vielen Baumaßnahmen und neuen Ausstellungsgestaltungen seitdem aufzählen. Doch für das Verständnis der Entstehung der neuen Dauerausstellung ist eine Weichenstellung grundlegend, ja entscheidend, nämlich die kurz nach der Jahrtausendwende von den Beratungsgremien sowie dem Stiftungsrat mit Zustimmung der internationalen Häftlingsverbände einvernehmlich beschlossene Veränderung der seit 1995 bis dahin gültigen Zielplanung: danach sollte die weitgehend in seiner äußeren Gestalt original erhaltene Kommandantur des Lagers, bis dahin Sitz von Verwaltung, Archiv, Bibliothek und Besucherinformation der Gedenkstätte, nicht zuletzt aufgrund seiner topographischen Lage im Zentrum des historischen Areals, von wo aus vor allem das ehemalige Häftlingslager aufgeschlossen wird, nicht nur denkmalgerecht saniert, sondern zum zentralen Ort einer neuen Hauptausstellung ausgebaut werden. Die Errichtung eines neuen Besucherinformationszentrums im Vorfeld der Gedenkstätte, das 2007 eröffnet wurde, und der außerordentlich aufwendige denkmalgerechte Umbau der ehemaligen SS-Garagen zu einem modernen, für Archiv, Bibliothek und Verwaltung zugleich funktionalen wie Nutzer-freundlichen Gebäude, das 2011 übergeben werden konnte, waren daher die unabdingbare Voraussetzung, die conditio sine qua non, für die beschlossene Neunutzung der ehemaligen Kommandantur als Zentrum einer neuen Hauptausstellung.
Das umfangreiche, von mir aufgrund der notwendigen Kürze meiner Ansprache nur angedeutete Programm der Neukonzeption und Erneuerung der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück lässt die große Kraftanstrengung erahnen, die für seine Realisierung notwendig waren. Ich kann nun nicht alle Dankesbezeugen wiederholen, die wir gerade gehört haben, obwohl ich mich ihnen vollständig anschließe. Ich bitte alle anderen Ungenannten aber um Verständnis, wenn ich aus dieser langen Liste einige wenige noch einmal hervorheben möchte. Das sind vor allem die großen Mittelgeber der Stiftung, der Bund und das Land. Zwanzig Jahre lang haben die wechselnden Regierungen kontinuierlich und großzügig das keinesfalls kleine Bauprogramm der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten als institutionelle Zuwender finanziert und teilweise, wie im Falle der Kommandantur vor allem die Bundesregierung und die Europäische Union, erhebliche Sondermittel zusätzlich zugewendet. Leider konnten sowohl die Bundeskanzlerin als auch der Staatsminister für Kultur heute nicht anwesend sein. Ich möchte Sie, liebe Frau Berggreen-Merkel, herzlich bitten, diesen unseren Dank, der natürlich auch Ihrem ganzen Hause gilt, Beiden auch persönlich auszurichten. Ich freue mich, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, dass Sie, wie ich feststelle, einen Großteil ihrer Regierung gleich mitgebracht haben. Bitte richten Sie aber auch allen anderen Mitgliedern der Landesregierung, vor allem natürlich auch dem Finanzminister, sowie allen Fraktionen des Landtages unsere Grüße und unseren Dank aus.
Ohne unsere wie immer sehr zuverlässige Bauverwaltungen im Brandenburgischen Landesamt für Liegenschaften und Bauten und in der Geschäftsstelle der Stiftung, ohne die Architektin und die Ausstellungsgestalter, den Denkmalschutz und die vielen Baufirmen wären alle unsere Ideen und Konzepte nur vollgeschriebene Blätter oder leicht zu löschende Dateien im elektronischen Nirwana geblieben. Allen, die an der Umsetzung unserer Pläne und Absichten in Stein, Beton, Holz, Glas, Textil und Technik beteiligt waren, möchte ich ebenfalls ganz herzlich danken.
Wie immer stehen diejenigen, die vor allem durch ihre klugen Gedanken und ihren unermüdlichen Fleiß, durch Nächte des Zweifels und Nächte der Erschöpfung, aber auch der Euphorie, durch Tage konfliktbeladener Beratungssitzungen und ermüdender Lektüre dickleibiger Bücher, durch kreative Ideen und enervierende Textformulierungen, durch unzählige Korrespondenzen und akribische Exponateverwaltung zu diesem Gesamtkunstwerk, einer großen neuen Ausstellung, beigetragen haben, am Schluss des Dankeswortes. Sie sind gemeint, liebe Frau Eschebach und liebe Frau Bessmann, Sie und Ihr Team von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, eingeschlossen auch die Zeitzeuginnen und die anderen ehrenamtlichen Beraterinnen und Berater. Ich weiß, was ich sage, wenn ich festzustellen meine, daß Sie alle Großartiges geleistet haben. „Last but not least“, heißt die dazu passende, häufig gedankenlos wiederholte Formel. Doch ich meine das wörtlich. Es ist vor allem Ihr Erfolg. Herzlichen Glückwunsch dazu.